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Der Fall Tsipras – oder wie Sie mit Klamotten Botschaften senden

Foto: Fotolia

Nicht nur die Forderungen der neuen griechischen Regierung erhitzen zur Zeit die Gemüter, auch die Anzugsordnung des griechischen Ministerpräsidenten und seines Finanzministers sorgen für Diskussionen. Da laufen die doch einfach lässig ohne Krawatte, mit offenem Hemdkragen und wehendem Sakko durch die Weltgeschichte, um für ihre neue Politik zu werben!

Das hätte es früher nicht gegeben! Die sollten sich doch mal anständig anziehen, wo kommen wir denn da hin? Schließlich wollen die doch was von UNS! Und DAS haben wir schon als Kinder gelernt: wenn ich von jemandem etwas will, dann muss ich einen guten Eindruck machen und das heißt auch, ich ziehe mich ordentlich an. Jawohl!

Und in der Tat, jedem Kandidaten, der sich für einen Job bewirbt, gibt man die Empfehlung, sich im Zweifel lieber einen Tick zu gut anzuziehen, als eine Spur zu schlecht. Denn der Personaler weiß auch, dass es für den Bewerber ein besonderer Termin ist, den er mit entsprechend sorgfältiger Kleidung würdigt. Ein Termin, an dem er sich von seiner besten Seite zeigen möchte.

Was also ist los mit Alexis Tsipras und Giannis Varoufakis? Die wollen doch was von uns! Haben die beiden vergessen in den Spiegel zu schauen?

Nein, das glaube ich nicht. Mal abgesehen davon, dass die beiden vermutlich eh keine begeisterten Krawattenträger sind, senden sie mit ihrem Dresscode auf jeden Fall eine Botschaft:

Keine Zeit für Formalitäten, jetzt geht’s zur Sache. Wir krempeln die Ärmel hoch und packen’s an. Wir haben keine Zeit für so einen Schnickschnack. Ab jetzt wird Tacheles geredet. Und – wir gehören nicht zur Kaste der feinen Anzugträger, sondern wir sind Männer aus dem Volk. Wir sind gekommen um aufzuräumen.
Und so eilen sie auch durch die Gangways der Flughäfen und die Flure der Regierungen dieser Welt. Forsch, ein bisschen unkonventionell und selbstbewusst. Und so sind auch ihre Forderungen. Wir passen uns nicht an. Wir wissen was wir wollen. Wir gehen neue Wege und damit basta.

Und genau diese Botschaft wird durch ihr Outfit auf nonverbaler Ebene transportiert. Die beiden griechischen Minister sind natürlich nicht die einzigen Politiker, die es verstehen, ihre Botschaft durch die Sprache ihrer Kleidung zu unterstützen.

Diese Strategie konnte man auch im Wahlkampf von Al Gore für das Amt des amerikanischen Präsidenten im Jahr 2000 erkennen.
Auf seinen Wahlkampfveranstaltungen konnte man immer wieder folgende Szene beobachten: Al Gore betritt den Saal, geht zum Rednerpult, zieht sein Sakko aus und krempelt die Ärmel seines Hemds hoch. Und das tat er bestimmt nicht, weil ihm zu warm war – es ist allgemein bekannt, dass die Veranstaltungshallen in den USA bestens klimatisiert sind. Und die Dresscodes in den USA sind sehr konservativ.
Nein, Al Gore signalisierte damit: Ich bin einer von euch und hier geht es nicht um schöne Worte, sondern darum, dass wir die Ärmel hochkrempeln und es anpacken. Dafür stehe ich!

Oder die Grünen: erinnern Sie sich noch an den Einzug der Grünen in den hessischen Landtag 1985? Bunt und unangepasst. Und der Aufreger der Nation: Joschka Fischer – bei seiner Vereidigung zum ersten grünen Staatsminister für Umwelt und Energie erschien er in alten Jeans und abgeranzten weißen Turnschuhen. Und das war natürlich kein Zufall, sondern eine ganz klare Botschaft: „So ihr alten Säcke, ab jetzt weht hier ein anderer Wind!“

Sehr beeindruckend fand ich den Wandel, den Joschka Fischer kleidungsmäßig hinlegte, als er Außenminister wurde. Sicherlich waren Anzug und Krawatte nicht seine Lieblingskleidungsstücke, aber der Würde des Amtes entsprechend hat er sogar zum dreiteiligen Anzug gegriffen und war meiner Meinung nach einer der am besten angezogenen Außenminister, die wir je hatten.

Und was ist jetzt die Konsequenz aus diesen Betrachtungen? – Seien Sie sich bewusst, dass Sie mit Ihrer Kleidung IMMER eine Aussage machen, ob Sie wollen oder nicht. Sie haben es in der Hand, wie Sie wirken wollen. Es ist immer Ihre Entscheidung, ob Sie sich einer Situation oder einer Zielgruppe kleidungsmäßig anpassen, oder ob Sie ganz bewusst dagegen steuern.

Die folgende kleine Geschichte ist hier vielleicht noch Anregung:

Eine junge Frau arbeitet als Personalreferentin in einem aufsteigenden Londoner Unternehmen. Sie bildet die Angestellten in richtiger Kleiderordnung und Umgangsformen aus. An ihrem ersten Tag, als sie gerade den Aufzug betritt, steigt ein lässig gekleideter Mann in Jeans und Polohemd mit ihr ein. Sie will direkt Verantwortungsbewusstsein zeigen und tadelt ihn: „Heute sind sie aber ein bisschen leger gekleidet, was?“ Der junge Mann zuckt mit den Schultern: „Kann sein, aber das ist einer der Vorzüge, wenn einem die Firma gehört.“

Welche Erfahrungen haben Sie im Umgang mit Dresscodes im Beruf? Haben Sie die Regeln schon mal ganz bewusst gebrochen? Schreiben Sie mir, ich bin gespannt auf Ihre Erlebnisse!

 

 

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Louise Fiegel

Louise Fiegel gilt als Expertin rund um das Thema persönliche Wirkung und Auftritt. Das Besondere ihrer Arbeitsweise: sie verbindet sämtliche Themen, die für einen überzeugenden Auftritt relevant sind.

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